Tagung des Bundesrings der Kollegs

Neue Herausforderungen im zweiten Bildungsweg

Pädagogisch-psychologische Herausforderungen im zweiten Bildungsweg – unter diesem Rahmenthema trafen sich vom 16. bis 18. März 2023 Kollegleitungen und Lehrkräfte der Kollegs aus ganz Deutschland zur Bundesringversammlung am Bayernkolleg Schweinfurt.

Nachdem Oberbürgermeister Remelé mit einem Grußwort der Stadt den Kongress mit knapp 50 Teilnehmenden eröffnet hatte, bot sich drei Tage lang die Gelegenheit zur Weiterbildung, zum Erfahrungsaustausch und zur Diskussion über die Weiterentwicklung der Kollegs.

Gruppenbild der Teilnehmer Tagung des Bundesrings der Kollegs

Das Programm begann mit einer Keynote zum Thema „Lernen mit Zukunft – Schul- und Unterrichtsentwicklung in der Digitalität“. Jan Vedder, Lehrer und Mitglied des Didaktik-Teams an einer Oberschule in der Region Hannover mit Tätigkeitsschwerpunkt in der Schul- und Unterrichtsentwicklung referierte online über das „Lernen unter den Bedingungen der Digitalität“ und die „Schule im Wandel“.

Themenschwerpunkt am Freitag, 17. März, war die Inklusion an den Kollegs, v. a. von Studierenden mit emotional-sozialem Förderbedarf. Ein beträchtlicher Anteil der Kollegiat*innen ist psychisch belastet, viele haben schon eine entsprechend lange Krankheitsgeschichte hinter sich. Zum einen benötigen diese Schüler*innen besondere Förderung, zum anderen müssen auch die Lehrkräfte für den richtigen Umgang mit inklusiven Schüler*innen weiterqualifiziert werden. Da das Bayernkolleg Schweinfurt eine Schule mit Profil Inklusion ist, berichteten die stellvertretende Schulleiterin StDin Joachim und die Schulpsychologin OStRin Zeller-Dittmer von den organisatorischen Möglichkeiten zur Förderung inklusiver Schüler*innen in Bayern und dem Beratungsalltag. Beim ihrem Vortrag „Psychische Erkrankungen bei Jugendlichen und damit verbundene Herausforderungen für Schulen“ stellten die Psychologinnen Frau Thomas und Frau Fähr vom Universitätsklinikum Würzburg die Handlungsmöglichkeiten für Lehrkräfte bei verschiedenen Krankheitsbildern wie Angststörungen, Depressionen oder Traumatisierungen vor. Im Anschluss an die äußerst informativen und hilfreichen Ausführungen der Referentinnen wurde sehr rege nachgefragt und diskutiert.

Nachdem während der Coronapandemie die Bundesringarbeit fast zum Erliegen kam und der frühere Vorstand ausgeschieden war, wurde mit der Wahl eines neuen Vorstands der Bundesring wieder handlungsfähig: Zur Vorsitzenden des Bundesrings der Kollegs wurde Christine Preuß vom Rahel-Varnhagen-Kolleg Hagen gewählt, zu ihren Stellvertreterinnen Dr. Wanda Klee vom Westfalen-Kolleg Dortmund, Gabriele Seelmann vom Bayernkolleg Schweinfurt und Hanna Veeltmann vom Ketteler-Kolleg Mainz. Nun kann auch die veraltete Satzung des Bundesrings überarbeitet bzw. ein gemeinnütziger Verein gegründet werden.

Der wichtigste Programmpunkt der Tagung war die Diskussion und Abstimmung über ein Positionspapier zur Änderung der Aufnahmebedingungen für den Besuch von Schulen des zweiten Bildungswegs, das auf einer Tagung in Dortmund Anfang Dezember 2022 von den Landesringsprecher*innen vorbereitet worden war:

Die Kollegs in Deutschland wurden in den 1960er-Jahren gegründet, um jungen Erwachsenen aus der Arbeiterschicht oder ländlichen Gebieten nach einer Berufsausbildung die Möglichkeiten zu eröffnen, auf dem zweiten Bildungsweg die Fachhochschulreife oder allgemeine Hochschulreife zu erwerben. Die gesellschaftliche Realität hat sich allerdings in den letzten Jahrzehnten massiv verändert: Aufgabe der Kollegs ist zunehmend die Integration von neu Zugewanderten und die Weiterqualifizierung von jungen Menschen mit unterbrochenen Bildungsbiographien.  Genau diesen Menschen bleibt jedoch die Aufnahme an eine Schule des zweiten Bildungswegs  oft verwehrt, weil sie die für eine Aufnahme geforderte zweijährige Berufstätigkeit nicht  nachweisen können. Angesichts des weiter steigenden gesellschaftlichen Bedarfs an schulischer Weiterbildung ist dieser Zustand alarmierend. Zu viele junge Erwachsene können ihr Potential nicht nutzen und müssen Umwege in Kauf nehmen, um den Weg zum Abitur überhaupt beginnen zu können. Sie verlieren somit Zeit und Perspektiven und stehen dem Arbeitsmarkt oder der Hochschule nicht zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund können die Kollegs ihren bildungspolitischen Aufgaben von Integration und Inklusion nicht umfassend nachkommen. Daher wurde während der Tagung ein Positionspapier zur Vorlage bei der Kultusministerkonferenz (KMK) erarbeitet und abgestimmt. Die Aufnahmebedingungen für die Kollegs sollen novelliert und an den veränderten Bildungsauftrag der Kollegs angepasst werden: In ein Kolleg sollen auch solche Bewerber*innen aufgenommen werden dürfen, die eine mindestens einjährige berufsbezogene Tätigkeit ausgeübt haben oder in den letzten zwölf Monaten keine Schule oder Einrichtung des ersten Bildungswegs besucht haben. Das Positionspapier wird mit den Abendgymnasien abgestimmt, um dann im Juni 2023 ein gemeinsames Schreiben der Schulen des zweiten Bildungswegs an die KMK weiterleiten zu können.

Auf der Tagung in Schweinfurt waren die Aufbruchsstimmung und der Wille, die Kollegs zukunftsfähig zu machen, deutlich zu spüren – das herrliche Frühlingswetter trug seinen Teil zum vollen Erfolg des Kongresses bei.

Gabriele Seelmann

Stellvertretende Vorsitzende des Bundesrings der Kollegs